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Resilienz im Online-Handel

Online-Marktplätze wie Amazon oder etsy bieten Online-Händler:innen die Möglichkeit mit nur wenigen Klicks einen eigenen internationalen Online-Handel aufzubauen. Doch hinter einer vermeintlich einfachen Nutzung lauern einige Fallen, die Unternehmer:innen kennen sollten. Im EU-weiten, grenzüberschreitenden Handel sind umsatzsteuerliche Pflichten im Überblick zu halten und fristgerecht umzusetzen. Verschickt man seine Waren zusätzlich nicht nur innerhalb der EU, sondern auch in Drittländer, erhöht sich die Komplexität: neben den umsatzsteuerrechtlichen Regularien sind auch Zollvorschriften zu beachten. Wir haben Zollexperten Markus Bitzer gefragt, welche Herausforderungen Online-Händler:innen im internationalen Handel begegnen können.


Herr Bitzer, Sie haben sich dem Zoll nach 17 Jahren abgewendet und beraten jetzt Steuerberater:innen, Rechtsanwält:innen und Unternehmer:innen, damit diese nicht von Zollprüfungen überrascht und Nachforderungen ausgesetzt sind. Erzählen Sie ein bisschen was von sich: Wie kann man sich Ihre Arbeit vorstellen?

In den letzten Jahren meiner Tätigkeit als Zollfahnder musste ich feststellen, dass viele Strafen vollzogen worden, obwohl ein einfaches Gespräch mit den Betroffenen das Problem viel besser hätte lösen können. Es besteht also ein großes Ungleichgewicht. Ich versuche jetzt meinen Beitrag zu leisten, dass mehr Chancengleichheit im Zollverkehr herrscht und berate Unternehmen und Rechtsanwälte. Die neue Arbeit unterscheidet sich eigentlich nicht sehr groß von der alten. Das Prinzip meiner Ermittlungen ist gleichgeblieben: Es startet immer mit einer Zustandsanalyse. Anschließend überlege ich, was das Ziel ist und was man am Zustand ändern muss, um dieses Ziel zu erreichen. Das ist bei Zollermittlungen nicht anders. Man betrachtet immer erst den Ist-Zustand und analysiert die Fehlerquellen, die dann wiederum als Beweismittel eingesetzt werden. Meine Aufgabe jetzt ist es diese Fehlerquellen bereits im Vorfeld zu finden und meine Mandanten dahingehend zu beraten, damit es gar nicht erst zu einem Problem kommt.

Aus welchen Gründen werden Sendungen im Zoll kontrolliert?

Alle Sendungen durchlaufen grundsätzlich das elektronische Abfertigungssystem („ATLAS“) des Zolls. Dort sind viele Risikoparameter eingepflegt, die regelmäßig von den Zollbehörden aktualisiert werden. Die erste Kontrollinstanz erfolgt über das digitale ATLAS-System, in dem alle verfügbaren Daten der Sendung kontrolliert werden und dann erfolgt die Selektierung. Eine Selektierung der Sendung kann Personen aus unterschiedlichsten Gründen treffen. Die Kontrollprozedur läuft immer auf dieselbe Art und Weise ab: Die Sendung wird gestoppt und geprüft beziehungsweise händisch vonseiten des Zolls kontrolliert. In der Regel brauchen die Zollbeamten dann Unterlagen der ansässigen Personen der Sendung. Daraufhin erfolgt entweder eine Nachzahlung oder das Paket wird nicht freigegeben und zurückgeschickt. Die Sendung kann auch beschlagnahmt werden, insbesondere dann, wenn es sich um Sendungen handelt, die nicht gehandelt werden dürfen, wie etwa gefälschte Produkte oder Betäubungsmittel.

Welche Shops betrifft das Thema Zollgebühren? Welche Arten von Waren werden im Online-Handel am häufigsten kontrolliert?

Prinzipiell wird das Thema Zoll immer dann interessant, wenn ich etwas importiere oder exportiere. Daher betrifft es grundsätzlich Unternehmen, die grenzüberschreitend handeln, aber natürlich auch Shops, die Waren importieren und in Deutschland verkaufen. Die Arten der Waren sind oft nicht unbedingt der ausschlaggebende Faktor hinsichtlich der Kontrollen. Selbstverständlich sind alle Produkte und Waren, die hohe Zollausgaben nach sich ziehen, vermehrt im Fokus. Dennoch kann man grundsätzlich nicht sagen, dass der eine Warenhändler höher gefährdet ist, als der andere.

Welche zollrechtlichen und umsatzsteuerlichen Risiken sind im grenzüberschreitenden Online-Handel eng verzahnt?

Die Einfuhr- und Umsatzsteuer sind sehr eng verzahnt. Dabei ist die Einfuhrsteuer eine Zollangelegenheit, während die Finanzbehörden bzw. das Finanzamt mit der Umsatzsteuer betraut sind. Man kann zum Beispiel als Shop etwas importieren, zahlt die Einfuhrumsatzsteuer und lässt den Betrag dann von der Vorsteuer wieder abziehen. Auf diese Weise kontrollieren automatisch beide Kontrollinstanzen die Sendung. Es besteht daher auch ein enger Dialog zwischen Zoll- und Steuerbehörden. Die Informationen werden nicht nur national, sondern besonders auch international zwischen den Behörden ausgetauscht. Es ist daher extrem wichtig, dass die Zahlen in der Buchhaltung stimmen und man hier keinen Fehler macht. Insbesondere dann, wenn es um Fulfillment-Dienstleistungen oder Dropshipping-Angelegenheiten geht. Die zuständigen Behörden füllen ähnliche oder sogar identische Kontrollfelder aus: Unter welchen Bedingungen wird geliefert, wer liefert an wen, wer wird namentlich in der Zollanmeldung genannt, wer holt sich die Umsatzsteuer wieder zurück? Es gibt zahlreiche überlappende Verknüpfungen und dementsprechend gibt es einen engen Austausch zwischen den zuständigen Zoll- und Finanzbehörden. Man muss daher extrem sauber arbeiten. Bei der Umsatzsteuer besteht ein sehr intensiver Austausch zwischen den Behörden: Umsatzsteuersonderprüfer tauschen sich mit dem Zoll aus und während dieser gleichzeitig die Steuerdaten der Betroffenen bei Import- und Exportwaren prüft.

Welche Herausforderungen sollte ein:e Online-Händler:in bei der Nutzung von Marktplätzen wie Amazon oder etsy kennen?

Das kann man nicht verallgemeinern. Es hängt sowohl von der Shop-Gestaltung, als auch von der Warenbewegung ab. Andere wichtige Parameter in der Analyse sind die Lagerungsstrategien und die Nutzung von Fulfillment-Dienstleistungen – da spielen wirklich viele Faktoren eine entscheidende Rolle. Ich würde im Zweifel aber immer mit einem Steuerberater sprechen und zur Not einen Experten hinzuziehen. Es ist immer wichtig zu wissen, wie sich das Kaufgeschäft und das Versandgeschäft zueinander verhält, denn es kann in der Regel auch stark voneinander abweichen. Gerade wenn ich Marktplätze wie etsy oder Amazon nutze, agiere ich zwar als Shop und habe Käufer, aber mein Versanddienstleister sitzt beispielsweise im Ausland und verschickt die Waren im Dropshipping-System. Solche Fälle sind stark im Fadenkreuz des Zolls. Vor dem Versand ist das Kaufgeschäft oft der Maßstab aller Dinge. Obwohl – oder genau weil – das Kaufgeschäft gar nicht im Versandverkehr bei der Zollanmeldung abgebildet ist, kontrolliert der Zoll die Informationen hierzu verstärkt.

Welche Empfehlungen kann man Online-Händler:innen an die Handgeben, um sicherzustellen, dass ihre Shops den Zollvorschriften entsprechen?

Die zoll- und steuerrechtliche Verantwortung liegt immer beim Shop bzw. Unternehmer selbst – selbst wenn man Zollagenturen oder Versanddienstleister damit beauftragt, die Zollanmeldung zu übernehmen. Außerdem sollte man ein Basisverständnis für die Materie aufbringen, insbesondere weil auf Trade- und Tax Compliance ein sehr starker Fokus liegt. Daher empfehle ich nicht blind den Daten von Lieferanten zu vertrauen, sondern Lieferscheine, Warentarifnummern, Zollanmeldungen usw., eigenhändig zu prüfen oder zumindest zu kontrollieren. Man muss sich seiner zoll- und steuerrechtlichen Verantwortung bewusst sein. Dies bedeutet auch zu prüfen, ob der Dienstleister korrekt arbeitet und seine Buchhaltung ordnungsgemäß zu führen. Und vielleicht am Wichtigsten: Bei Shortcomings nicht darauf vertrauen, dass es niemandem auffallen wird. Es wird auffallen!

Was war einer deiner spannendsten Fälle?

Da gibt es viele! Der kurioseste Fall war ein Unternehmen mit einem Zolllager, in welchem Waren steuerfrei zwischengelagert werden konnten, bis sie verkauft wurden. Diese Waren unterliegen einer besonderen Überwachung, denn es darf keine Warenbewegung stattfinden, ohne eine offizielle Registrierung und Bekanntgabe. Es handelte sich dabei um Schuttgüter und Eisenerze mit einem Warenwert von circa 10-15 Millionen Euro. Da haben wir dann nicht schlecht gestaunt, als die1800 Tonnen an Ware verschwunden sind. Das kann sich bis heute keiner erklären, wie das passiert ist, denn eigentlich ist das ein Ding der Unmöglichkeit, dass Ware, die so einer speziellen Überwachungs- und Kontrollinstanz unterliegt, einfach verschwindet.

Aber es geht auch andersrum: in einem anderen Fall bin ich sehr kurzfristig als Experte in eine Zollprüfung hinzugezogen worden, bei der sich die Unternehmer und Prüfer nicht einigen konnten. Wir haben in enger Zusammenarbeit eine Nachforderung in Höhe von einer viertel Million Euro abwenden und schließlich auf 23.000 Euro reduzieren können.

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Resilienz im Online-Handel


Die Europäische Kommission hat am 8. Dezember 2022 eine Reihe von Maßnahmen vorgelegt, um das Mehrwertsteuersystem zu modernisieren:

  • Einführung einer einzigen EU-weiten Mehrwertsteuerregistrierung
  • Umstellung auf die digitale Meldung in Echtzeit
  • Mehrwertsteuervorschriften für Plattformen für Personenbeförderung und Kurzzeitvermietung von Unterkünften

Der Vorschlag „Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter“ ist Teil einer vorgeschlagenen Überarbeitung der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie. Er stellt den vorläufigen Höhepunkt der seit Januar 2022 unternommenen Anstrengungen zur Vereinfachung der Einhaltung der Vorschriften und zur Verringerung von Mehrwertsteuerverlusten dar. „Die Mehrwertsteuer ist eine der wichtigsten Einkommensquellen für unsere Mitgliedstaaten“, sagte Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni bei der Präsentation der Gesetzesvorhaben.

Den Mitgliedstaaten sind im Jahr 2020 Mehrwertsteuereinnahmen in Höhe von 93 Mrd. EUR entgangen. Dies geht aus den aktuellen Zahlen zur Mehrwertsteuerlücke hervor. Dabei sind ein Viertel der fehlenden Einnahmen direkt auf Mehrwertsteuerbetrug im Zusammenhang mit Handel innerhalb der EU zurückzuführen. Dies soll die Reform nun ändern. Die Maßnahmen betreffen die Behandlung der Plattformwirtschaft, die Mehrwertsteuermeldepflichten und elektronische Rechnungsstellung sowie die einheitliche EU-Mehrwertsteuerregistrierung.

Digitalisierung als Chance begreifen und fördern

Mehrwertsteuerregelungen in der EU sind für Unternehmen noch immer mit einem großen Aufwand verbunden. Dies gilt insbesondere für klein und mittelständische Unternehmen sowie jene, die grenzüberschreitend tätig sind oder in andere Länder expandieren wollen. Daher sollen die lokalen Registrierungen für Mehrwertsteuerzwecke abgelöst und ein EU-weites Digital Reporting System eingeführt werden.

„Single VAT Registration“: Keine lokalen Registrierungen mehr

Unternehmen, die in verschiedenen EU-Staaten handeln, sollen sich künftig für die gesamte EU nur in einem Land für Mehrwertsteuerzwecke registrieren müssen. Damit wird das bestehende One-Stop-Shops-Verfahren (OSS) erweitert, und es entfallen die lokalen Registrierungen. Das soll insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen zugutekommen, die sonst hohe Verwaltungskosten zahlen müssten. Registrierungs- und Verwaltungskosten in Höhe von etwa 8,7 Mrd. EUR sollen nach Einschätzungen der EU-Kommission in den nächsten zehn Jahren gespart werden. Dieser neue Regelungsrahmen ist für den 01.01.2025 geplant.

Digitales Meldesystem in Echtzeit

Weiterhin sollen Unternehmen künftig jede grenzübergreifende Handelstransaktion in Echtzeit über elektronische Rechnungen melden. Dies sei für eine bessere Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug erforderlich, insbesondere um den innergemeinschaftlichen Karussellbetrug wirksamer zu bekämpfen. Die Mitgliedstaaten erhielten so einen sofortigen Zugang zu Daten über grenzüberschreitende Transaktionen innerhalb der EU. Vom Karussellbetrug spricht man, wenn Unternehmen Waren aus einem anderen Mitgliedstaat mehrwertsteuerfrei einführen, sie mit Mehrwertsteuer verkaufen und dann die Differenz behalten. Durch die Umstellung auf ein digitales Meldesystem werde auch für die Annäherung der bestehenden nationalen Systeme in der gesamten EU gesorgt.

Aktualisierte Mehrwertsteuervorschriften bei Onlineplattformen zum Mieten von Wohnungen 

Onlineplattformen zum Mieten von Wohnung wie Airbnb oder Booking werden verpflichtet, künftig die Mehrwertsteuer zu erheben und an die Finanzämter abzuführen, wenn der bzw. die Wohnungsanbieter:in dies nicht getan hat. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Wohnungsanbieter:innen Kleinunternehmer:innen sind und sie daher keiner Pflicht zur Umsatzsteuererklärung unterliegen. Die Kommission rechnet dadurch mit zusätzlichen Steuereinnahmen von 6,6 Milliarden Euro pro Jahr.

„Eine neue Ära für das Mehrwertsteuersystem in der EU“

Die Reformen stellen die umfassendste Modernisierung der Mehrwertsteuer in Europa seit der Errichtung des Binnenmarktes Anfang 1993 dar. „Mit den heutigen Vorschlägen wird eine neue Ära für das Mehrwertsteuersystem der EU eingeläutet“, betonte Gentiloni. Nun werden sich im nächsten Schritt der Rat der Europäischen Union und das EU-Parlament im üblichen Gesetzgebungsverfahren mit den Maßnahmen befassen.

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