Woran denkt man als Online-Händler:in wenn man das Wort Zoll hört? Der oft negativ behaftete Begriff lässt Händler:innen zumeist an Auflagen und Verpflichtungen denken. Das Zollrecht ist insbesondere für internationale Importe und Exporte das ausschlaggebende Regelwerk. „In der EU ist das Zollrecht harmonisiert, das heißt in allen Ländern gelten die gleichen Regeln […] Man kann aber vieles nicht verallgemeinern, die Grundlagen sind gleich, aber man muss sich jeden Händler und jeden Shop einzeln ansehen: was importierst du, was exportierst du, mit welchen Ländern handelst du, was für einen Warenkreis hast du?“, meint Zollexperte Markus Bitzer und geht unter anderem genau diesen Fragen gemeinsam mit unseren Podcast-Hosts Nadja Müller und Saravanan Sundaram in der neuen Folge von Thanks for Shopping auf den Grund.

Markus ist ehemaliger Flugzeugmechaniker und hat die Ausbildung zum Zollfahnder für das Zollkriminalamt abgeschlossen. Der Fokus seiner Ermittlungen galt dem Bereich Ausfuhrkontrolle, doch ermittelte er unter anderem auch in den Bereichen Rauschgift, Geldwäsche und Importverstöße. Seine persönliche Entscheidung nicht mehr als Zollfahnder aktiv zu sein und sich stattdessen als Berater für Unternehmen im Zollverkehr einzusetzen, hat er uns auch im fynax-Interview erzählt.

„Der Zoll hat sich über die Jahre weiterentwickelt und wir passten nicht mehr zueinander. Ich wollte mehr Chancengleichheit und berate jetzt Unternehmen bevor es zu Problemen kommt“, erklärt Markus, der den Zoll letztendlich als Finanzbehörde einordnet, die zwar kontrolliert aber keine aktive Hilfestellung leistet. In der neuen Folge von Thanks for Shopping erzählt er uns von seiner Arbeit als Zollfahnder, seinem Sinneswandel und liefert wichtige Insights hinsichtlich der Zollangelegenheiten von Online-Händler:innen.


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Online-Marktplätze wie Amazon oder etsy bieten Online-Händler:innen die Möglichkeit mit nur wenigen Klicks einen eigenen internationalen Online-Handel aufzubauen. Doch hinter einer vermeintlich einfachen Nutzung lauern einige Fallen, die Unternehmer:innen kennen sollten. Im EU-weiten, grenzüberschreitenden Handel sind umsatzsteuerliche Pflichten im Überblick zu halten und fristgerecht umzusetzen. Verschickt man seine Waren zusätzlich nicht nur innerhalb der EU, sondern auch in Drittländer, erhöht sich die Komplexität: neben den umsatzsteuerrechtlichen Regularien sind auch Zollvorschriften zu beachten. Wir haben Zollexperten Markus Bitzer gefragt, welche Herausforderungen Online-Händler:innen im internationalen Handel begegnen können.


Herr Bitzer, Sie haben sich dem Zoll nach 17 Jahren abgewendet und beraten jetzt Steuerberater:innen, Rechtsanwält:innen und Unternehmer:innen, damit diese nicht von Zollprüfungen überrascht und Nachforderungen ausgesetzt sind. Erzählen Sie ein bisschen was von sich: Wie kann man sich Ihre Arbeit vorstellen?

In den letzten Jahren meiner Tätigkeit als Zollfahnder musste ich feststellen, dass viele Strafen vollzogen worden, obwohl ein einfaches Gespräch mit den Betroffenen das Problem viel besser hätte lösen können. Es besteht also ein großes Ungleichgewicht. Ich versuche jetzt meinen Beitrag zu leisten, dass mehr Chancengleichheit im Zollverkehr herrscht und berate Unternehmen und Rechtsanwälte. Die neue Arbeit unterscheidet sich eigentlich nicht sehr groß von der alten. Das Prinzip meiner Ermittlungen ist gleichgeblieben: Es startet immer mit einer Zustandsanalyse. Anschließend überlege ich, was das Ziel ist und was man am Zustand ändern muss, um dieses Ziel zu erreichen. Das ist bei Zollermittlungen nicht anders. Man betrachtet immer erst den Ist-Zustand und analysiert die Fehlerquellen, die dann wiederum als Beweismittel eingesetzt werden. Meine Aufgabe jetzt ist es diese Fehlerquellen bereits im Vorfeld zu finden und meine Mandanten dahingehend zu beraten, damit es gar nicht erst zu einem Problem kommt.

Aus welchen Gründen werden Sendungen im Zoll kontrolliert?

Alle Sendungen durchlaufen grundsätzlich das elektronische Abfertigungssystem („ATLAS“) des Zolls. Dort sind viele Risikoparameter eingepflegt, die regelmäßig von den Zollbehörden aktualisiert werden. Die erste Kontrollinstanz erfolgt über das digitale ATLAS-System, in dem alle verfügbaren Daten der Sendung kontrolliert werden und dann erfolgt die Selektierung. Eine Selektierung der Sendung kann Personen aus unterschiedlichsten Gründen treffen. Die Kontrollprozedur läuft immer auf dieselbe Art und Weise ab: Die Sendung wird gestoppt und geprüft beziehungsweise händisch vonseiten des Zolls kontrolliert. In der Regel brauchen die Zollbeamten dann Unterlagen der ansässigen Personen der Sendung. Daraufhin erfolgt entweder eine Nachzahlung oder das Paket wird nicht freigegeben und zurückgeschickt. Die Sendung kann auch beschlagnahmt werden, insbesondere dann, wenn es sich um Sendungen handelt, die nicht gehandelt werden dürfen, wie etwa gefälschte Produkte oder Betäubungsmittel.

Welche Shops betrifft das Thema Zollgebühren? Welche Arten von Waren werden im Online-Handel am häufigsten kontrolliert?

Prinzipiell wird das Thema Zoll immer dann interessant, wenn ich etwas importiere oder exportiere. Daher betrifft es grundsätzlich Unternehmen, die grenzüberschreitend handeln, aber natürlich auch Shops, die Waren importieren und in Deutschland verkaufen. Die Arten der Waren sind oft nicht unbedingt der ausschlaggebende Faktor hinsichtlich der Kontrollen. Selbstverständlich sind alle Produkte und Waren, die hohe Zollausgaben nach sich ziehen, vermehrt im Fokus. Dennoch kann man grundsätzlich nicht sagen, dass der eine Warenhändler höher gefährdet ist, als der andere.

Welche zollrechtlichen und umsatzsteuerlichen Risiken sind im grenzüberschreitenden Online-Handel eng verzahnt?

Die Einfuhr- und Umsatzsteuer sind sehr eng verzahnt. Dabei ist die Einfuhrsteuer eine Zollangelegenheit, während die Finanzbehörden bzw. das Finanzamt mit der Umsatzsteuer betraut sind. Man kann zum Beispiel als Shop etwas importieren, zahlt die Einfuhrumsatzsteuer und lässt den Betrag dann von der Vorsteuer wieder abziehen. Auf diese Weise kontrollieren automatisch beide Kontrollinstanzen die Sendung. Es besteht daher auch ein enger Dialog zwischen Zoll- und Steuerbehörden. Die Informationen werden nicht nur national, sondern besonders auch international zwischen den Behörden ausgetauscht. Es ist daher extrem wichtig, dass die Zahlen in der Buchhaltung stimmen und man hier keinen Fehler macht. Insbesondere dann, wenn es um Fulfillment-Dienstleistungen oder Dropshipping-Angelegenheiten geht. Die zuständigen Behörden füllen ähnliche oder sogar identische Kontrollfelder aus: Unter welchen Bedingungen wird geliefert, wer liefert an wen, wer wird namentlich in der Zollanmeldung genannt, wer holt sich die Umsatzsteuer wieder zurück? Es gibt zahlreiche überlappende Verknüpfungen und dementsprechend gibt es einen engen Austausch zwischen den zuständigen Zoll- und Finanzbehörden. Man muss daher extrem sauber arbeiten. Bei der Umsatzsteuer besteht ein sehr intensiver Austausch zwischen den Behörden: Umsatzsteuersonderprüfer tauschen sich mit dem Zoll aus und während dieser gleichzeitig die Steuerdaten der Betroffenen bei Import- und Exportwaren prüft.

Welche Herausforderungen sollte ein:e Online-Händler:in bei der Nutzung von Marktplätzen wie Amazon oder etsy kennen?

Das kann man nicht verallgemeinern. Es hängt sowohl von der Shop-Gestaltung, als auch von der Warenbewegung ab. Andere wichtige Parameter in der Analyse sind die Lagerungsstrategien und die Nutzung von Fulfillment-Dienstleistungen – da spielen wirklich viele Faktoren eine entscheidende Rolle. Ich würde im Zweifel aber immer mit einem Steuerberater sprechen und zur Not einen Experten hinzuziehen. Es ist immer wichtig zu wissen, wie sich das Kaufgeschäft und das Versandgeschäft zueinander verhält, denn es kann in der Regel auch stark voneinander abweichen. Gerade wenn ich Marktplätze wie etsy oder Amazon nutze, agiere ich zwar als Shop und habe Käufer, aber mein Versanddienstleister sitzt beispielsweise im Ausland und verschickt die Waren im Dropshipping-System. Solche Fälle sind stark im Fadenkreuz des Zolls. Vor dem Versand ist das Kaufgeschäft oft der Maßstab aller Dinge. Obwohl – oder genau weil – das Kaufgeschäft gar nicht im Versandverkehr bei der Zollanmeldung abgebildet ist, kontrolliert der Zoll die Informationen hierzu verstärkt.

Welche Empfehlungen kann man Online-Händler:innen an die Handgeben, um sicherzustellen, dass ihre Shops den Zollvorschriften entsprechen?

Die zoll- und steuerrechtliche Verantwortung liegt immer beim Shop bzw. Unternehmer selbst – selbst wenn man Zollagenturen oder Versanddienstleister damit beauftragt, die Zollanmeldung zu übernehmen. Außerdem sollte man ein Basisverständnis für die Materie aufbringen, insbesondere weil auf Trade- und Tax Compliance ein sehr starker Fokus liegt. Daher empfehle ich nicht blind den Daten von Lieferanten zu vertrauen, sondern Lieferscheine, Warentarifnummern, Zollanmeldungen usw., eigenhändig zu prüfen oder zumindest zu kontrollieren. Man muss sich seiner zoll- und steuerrechtlichen Verantwortung bewusst sein. Dies bedeutet auch zu prüfen, ob der Dienstleister korrekt arbeitet und seine Buchhaltung ordnungsgemäß zu führen. Und vielleicht am Wichtigsten: Bei Shortcomings nicht darauf vertrauen, dass es niemandem auffallen wird. Es wird auffallen!

Was war einer deiner spannendsten Fälle?

Da gibt es viele! Der kurioseste Fall war ein Unternehmen mit einem Zolllager, in welchem Waren steuerfrei zwischengelagert werden konnten, bis sie verkauft wurden. Diese Waren unterliegen einer besonderen Überwachung, denn es darf keine Warenbewegung stattfinden, ohne eine offizielle Registrierung und Bekanntgabe. Es handelte sich dabei um Schuttgüter und Eisenerze mit einem Warenwert von circa 10-15 Millionen Euro. Da haben wir dann nicht schlecht gestaunt, als die1800 Tonnen an Ware verschwunden sind. Das kann sich bis heute keiner erklären, wie das passiert ist, denn eigentlich ist das ein Ding der Unmöglichkeit, dass Ware, die so einer speziellen Überwachungs- und Kontrollinstanz unterliegt, einfach verschwindet.

Aber es geht auch andersrum: in einem anderen Fall bin ich sehr kurzfristig als Experte in eine Zollprüfung hinzugezogen worden, bei der sich die Unternehmer und Prüfer nicht einigen konnten. Wir haben in enger Zusammenarbeit eine Nachforderung in Höhe von einer viertel Million Euro abwenden und schließlich auf 23.000 Euro reduzieren können.

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Der Umgang Nordirlands gehörte zu den größten Streitpunkten zwischen London und Brüssel bei den Brexit-Verhandlungen. Vergangene Wochen haben beide Seiten das „Rahmenabkommen von Windsor“ und damit eine Einigung verkündet. Wir haben euch die wichtigsten Punkte zusammengetragen.


Der britischer Premierminister Rishi Sunak hat das geschafft, was seine Amtsvorgänger:innen nicht vermochten: Großbritannien und die Europäische Union haben im jahrelangen Streit über die Brexit-Regeln für Nordirland eine Einigung erzielt. Konkret wird durch das neue Rahmenabkommen das bisherige Nordirland-Protokoll entscheidend verändert und soll den Warenverkehr auf den britischen Inseln erleichtern, wie EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und der britische Premierminister Sunak auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Windsor erklärten.

Was ist das Nordirland-Protkoll?

Das Protokoll zu Irland/Nordirland wurde als integraler Bestandteil des Austrittsabkommens von der EU und dem Vereinigten Königreich gemeinsam beschlossen und ratifiziert. Es war einer der strittigen Fragen hinsichtlich der Beziehungen zwischen Brüssel und London – dabei hatte es das Ziel, Komplikationen in Nordirland nach dem Austritt zu verhindern, Frieden sowie Stabilität im Land zu wahren und gleichzeitig die Integrität des EU-Binnenmarkts aufrechtzuerhalten.

Durch den Brexit hat Großbritannien auch die Zollunion und den Binnenmarkt verlassen, es musste also eine Zollgrenze her. Diese würde dann aber logischerweise zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem zum Vereinigten Königreich gehörenden Nordirland verlaufen. Allerdings untersagt das sogenannte “Karfreitagsabkommen” eine harte Grenze auf der irischen Insel.

Also wurden spezielle Regeln für Nordirland im sogenannten Nordirland-Protokoll festgelegt. Dieses sieht vor, dass die Zollgrenze zwischen Großbritannien und der EU an einer imaginären Grenze verläuft, die in der Irischen See liegt. De facto finden diese Kontrollen in den Häfen statt. Nordirland (anders als England, Schottland und Wales) sollte nämlich weiter den Regeln des europäischen Binnenmarkts folgen, um eine harte Grenze und damit Grenzkontrollen zwischen beiden Ländern zu vermeiden.

Was verändert sich durch den Deal in der Praxis?

Nach dem bisherigen Brexit-Abkommen müssen bestimmte Waren kontrolliert werden, wenn sie von Großbritannien nach Nordirland gelangen. Diese Waren werden bei ihrer Ankunft in den Häfen kontrolliert und können anschließend weiter nach Irland. „Nordirland wird damit zollrechtlich weiter als ein Teil der EU behandelt“, erklärt Zoll- und Außenwirtschaftsexperte Markus Bitzer. „Dies führte zu Problemen des Warenverkehrs zwischen Nordirland und Großbritannien.“

Im Windsor-Abkommen sollen die Waren künftig über zwei Fahrspuren zollrechtlich getrennt werden: Britische Waren, die ausschließlich für Nordirland bestimmt sind, kommen auf die grüne Spur, sodass keine Kontrollen und nur minimaler Papierkram erforderlich sind. Waren, die aus der EU nach GB (oder umgekehrt) transportiert werden, sollen vom Zoll weiterhin in den nordirischen Häfen kontrolliert werden. „Die neue Einigung erleichtert damit den Warenverkehr zwischen Nordirland und Großbritannien. Aber eben nur zwischen diesen beiden. Der Handel zwischen der EU und Großbritannien wird dadurch nicht beeinflusst. Für den E-Commerce aus der EU bedeutet dies weiterhin genau zu schauen, wo die Kunden sitzen und welchen Transportweg die Waren nehmen“, meint Zollexperte Bitzer.

Nun bleibt es abzuwarten, was in den kommenden Wochen in der Sitzung des Gemeinsamen Ausschusses der EU und des Vereinigten Königreichs im Rahmen des Austrittsabkommens beschlossen wird. Außerdem müssen sowohl das britische Parlament, als auch die EU-Staaten der Einigung zustimmen. 

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